Glockenturm mit Carillon-Hörprobe

Das Grundstück in der Flur „Vordere Pöllnitz“, das Ernst Hüther 1917 für seinen Familiensitz erwarb, hieß „Bohnscher Garten“ - nach dessen früherem Besitzer Christian Bohn, einem Saalfelder Farbenfabrikanten.

An der Stelle des Glockenturms stand am Ende einer Kirschallee ein Gartenhaus, das auch von Vereinen für Feste genutzt wurde.

Als es abgerissen wurde, fanden Bauarbeiter Reste des gemauerten Fundaments eines Galgens – Überbleibsel eines alten Saalfelder Hochgerichts.

Heute erhebt sich darüber der Glockenturm mit 25 chromatisch gestimmten Bronzeglocken. Sie wiegen jeweils zwischen 32 Kilogramm und 1,45 Tonnen, ihre Durchmesser betragen 30 Zentimeter bis 1,30 Meter. Sechs von ihnen enthalten Widmungen für die Hütherschen Familienmitglieder:

Schokoladenfabrikant Dr. Ernst Hüther:
Lass, Glocke, die eherne Zunge erklingen | Ein Loblied dem herrlichen Bergfried zu singen | und seinem Erbauer, dess' schöpfrische Kraft | so vieles Schöne im Lande geschafft | der in härtesten Zeiten voll bitterer Not | viel tausenden Arbeit gegeben und Brot!

Seiner Frau, Anni Hüther, geborene Ter Meer:
So schätz' ich deutscher Frauen Wesensart | wenn Würde sich mit heitrer Anmut paart! | Das Lob der Hausfrau sing' ich weit ins Land | Drum werd ich Bergfrieds "Frauenlob" genannt!


Die Zitate für seine Kinder sind von deren Wesenszügen inspiriert.

Seinem ältesten Sohn Werner:
Was du von deinem Vater einst willst erben | Du sollst es dir durch Tüchtigkeit erwerben.

Seiner ältesten Tochter Ilse:
Grosse Tochter im Haus | Kehre die Sorgen hinaus | Öffne Tür und Tor | Stell' die Liebe davor.

Seiner jüngeren Tochter Luise Charlotte, genannt Liselotte:
Kling, selberhelles Glöckelein | vom Töchterchen und Sonnenschein.

Seinem jüngeren Sohn Gerd:
Junges Blut - Tunichtgut | Ist noch nicht der Dinge schlechtstes | Ward gar häufig wohl was rechtes.

Die Glocken wurden eingebaut, bevor das Gebäude fertig war. Sie können nicht entfernt werden, ohne das Gebäude zu zerstören. Das bewahrte sie im 2. Weltkrieg vor der Einschmelzung zur Waffenherstellung.

Die Glocken werden über ein Stockklavier, genannt Carillon, von Hand gespielt.
Der heutige Spieltisch wurde nachträglich im Glockenturm installiert, früher wurde das Carillon von der Villa aus gespielt. Durch den langen Verbindungsweg zwischen Spieltisch und Glocke hört man den Ton zeitverzögert, was das Spielen erschwert.

Das Bergfried-Carillon ist das älteste in ganz Deutschland. Es wird vom Saalfelder Carilloneur Knut Schieferdecker zu besonderen Anlässen gespielt.

Ich bin sehr froh, dass hier der Glockenturm steht. Sonst wäre der Gedanke an all die Toten an diesem Ort schon ein bisschen gruselig. Hier stand ganz früher - also im Mittelalter - mal ein Galgen, und es wird erzählt, dass beim Ausheben der Grube für das Fundament vom Glockenturm auch Knochen von den Hingerichteten gefunden worden sein sollen. Auf jeden Fall die schweren Steine, auf denen der Galgen stand. Aber wenn nun die Glocken erklingen, ist's friedlich hier.
Dabei: Was war das für ein Spektakel, als der Turm gebaut wurde! Er konnte ja erst fertig gemauert werden, als die Glocken alle an Ort und Stelle verankert waren. Die schweren Dinger! Bis zu anderthalb Tonnen mussten da hochgewuchtet werden. Und erst als alle hingen, konnte der Turm geschlossen werden.
Ja, der Herr Doktor, der kennt sich aus in Baudingen. Ihm gehören ja viele Häuser in Saalfeld, und nicht nur hier. Und er hat immer neue Baupläne. Deshalb trägt er auch stets und ständig einen Zollstock bei sich.
Die Glocken im Turm sind übrigens nicht die einzigen auf dem Bergfried. Auch im Uhrenturm auf der Villa hängen fünf Glocken, die als Uhrschlag erklingen können. Sie stammen auch von der Glockengießerei Ulrich in Apolda, natürlich wieder mal der besten Firma ihres Faches in Deutschland. Drunter macht's der Herr Doktor ja nicht.